
Historisches von der Pfullendorfer Fasnet, Narrhalla und den Stegstreckern
Fasnacht feiert man in Pfullendorf seit Jahrhunderten. Was dabei Bestand hat: Die ständige Veränderung
Wer heutzutage über die Pfullendorfer Fasnet spricht, erzählt vom Narrenbaumstellen, von den Hemdglonkerumzügen, dem Schnellen und dem Verbrennen der Stohhexe am Fasnachtsdienstag. Diese Traditonen gibt es seit Jahrzehnten. Jüngere Narren könnten meinen, die Fasnacht in ihrem „Städtle“ sei schon immer so gewesen wie heute. Doch weit gefehlt: In früheren Jahren trat in Pfullendorf auch schon Prinz Karneval auf. Und davon, dass einmal als Hexen verkleidete Männer durch die Straßen springen werden, hat zu Prinz Karnevals Zeiten noch niemand etwas geahnt. Die ersten Belege, dass in Pfullendorf in den Tagen vor dem Beginn der Fastenzeit nochmal kräftig gefeiert, gezecht und gegessen wurde, sind mehrere hundert Jahre alt. So sind unter anderem in den Aufzeichnungen des städtischen Spitals vermerkt, dass 1629 der damalige Stadtpfarrer Anton Bregenzer sich über überteuerte Gastmähler für junge Bürgersöhne beklagte. Sie bekamen von der Stadt an Fasnacht Geldgeschenke zur Zehrung in einem Gasthaus, weil sie zur Unterhaltung des Volkes in den Brunnen gesprungen waren. Somit gibt es neben Munderkingen auch in Pfullendorf alte Überliegerungen über Brunnensprünge junger Burschen. 1713/14 kann man nachlesen, dass zur Fasnacht 6 1/4 Quart Wein zum „Fasnachtsküechli“ an den städtischen Magistrat abgegeben wurde. Noch früher, in der Spitalrechnung für die Jahre 1597/98 ist vermerkt, dass das Spital offenbar Lebensmittel für ein größeres Essen am „unsynnigen Donnerstag“ (heute „Schmotziger Dunschtig“) eingekauft hat, unter anderem Senf und ringförmiges Gebäck (Fasnetsküchle, Nideln). Am Fasnachts-Dienstag 1710 erhielt der Magistrat vom Spital, das damals noch seinen Sitz dort hatte, wo sich später die Wirtschaft „Deutscher Kaiser“ befand – 11 1/4 Quart Spitalwein, was rund 33 Litern entspricht. Auch diverse alte Ratsprotokolle berichten von fasnachtlichem Treiben in Pfullendorf.

Johann Schupp hat sie im Buch „Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf“ erwähnt. So wurde geregelt, dass an der Fasnacht 1716 bis um neun Uhr abends getanzt werden durfte, an den letzten drei Fasnachtstagen sogar darüber hinaus. Auch ein „Fasnachtsspiel“ war erlaubt, „Maskerade“ allerdings verboten. Die Lust am Verkleiden blieb aber offenbar bestehen, denn immer wieder ist in den folgenden Jahrzehnten das Maskieren ein Thema und wird teils auch verboten.
Im Jahr 1794 etwa warnte Bürgermeister Probst vor dem „immer mehr überhandnehmenden Maskieren und dem damit verbundenen Unfug mit Unsittlichkeit“. Eine organisierte Fasnacht gibt es in Pfullendorf nachweislich seit dem Jahr 1856. Nach mehreren Jahrzehnten, in denen es der Überlieferung zufolge eher still geworden war um die Fasnacht, gründete der Malermeister Johann Nepomuk Lang damals eine „Narren- und Maskengesellschaft“. Er legte auch den Grundstein für die Tradition der Fasnachtsspiele, die danach länger gepflegt wurde. Am Fasnachts-Montag, 28. Februar 1876 wurde „Wallensteins Lager“ aufgeführt, das damals größte seiner Zeit. 1895 übernahm Dr. Josef Schreck den Vorsitz. Er gründete die Gesellschaft am 12. Februar 1895 als Verein neu, sie erhielt den Namen „Narhalla“. In diesem Jahr wurde ein den Berichten nach monumentales Fasnachtsspiel aufgeführt. Der Titel lautete: „Prinz Karneval besucht die ehemalige freie Reichsstadt Pfullendorf mit dem Riesenzirkus Wei-Hei-Wei und Hagenbecks Menagerie“. Im selben Jahr erschien in Pfullendorf auch erstmals eine Narrenzeitung. Und es muss auch
einen Narrenpolizisten gegeben haben. Zumindest wurde bei einem späteren Jubiläum das Jahr 1895 als Geburtsjahr des „Narrenbolizei“ genannt. Und dies war nicht alles. In diesem Jahr war auch das Geburtsjahr des Pfullendorfer Narrenmarsch-Textes. Somit ist auch klar, dass zumindest schon seit 1895 in Pfullendorf ein Narrenbaum gestellt wird. Mit seinem Vorgänger Nepomuk Lang als Narrenvater und der Narrenmutter in Person des Löwenwirts Roßknecht hatte Josef Schreck verlässliche Mitstreiter.

Im Jahr 1928 gab es ein Fasnetsspiel, von dem viele alte Pfullendorfer noch Jahrzehnte später schwärmten. Es hatte den Titel „Einzug der Schweden unter Generalfeldmarschall Horn“.
Ebenfalls wurde im Jahre 1928 aus der wilden Schar von Hänselenarren offiziell eine Gruppe gegründet. In diesem Jahr trat man dem badisch-württembergisch-hohenzollerischen Narrenverband, später VSAN bei und konnte somit mit einer kleinen Abordnung bestehend aus Narrenrat, dem Bolizei, den Narreneltern, den Hänsele, den Schnellern und Trachten am großen Narrentreffen in Freiburg teilnehmen. Durch den Rücktritt der Narrenmutter Fritz Rossknecht wurde am Fasnachtsmontag 1930 mit großem Pomp eine Narrenhochzeit gefeiert. Die neue Narrenmutter Wilhelm Weber heiratete August Heinzle.
Am 11. November 1934 fand zum ersten Mal eine Hauptversammlung der VSAN in Pfullendorf statt. Im Hotel Schwanen trafen sich damals Vertreter aus 36 Narrenzünften. 1935 wurde erstmals das Stegstreckerspiel aufgeführt. Nachgespielt wird dabei die Legende, wonach die Pfullendorfer einst versucht haben sollen, einen Steg über den Andelsbach, der zu kurz geraten war, mit der Hilfe von Ochsen zu strecken. Das Spiel wird seither zu besonderen Anlässen aufgeführt. Während des Zweiten Weltkriegs erstarb das Brauchtum. Doch nach dem Krieg lebte die Fasnacht neu auf. 1947 zeigte sich zum ersten Mal die Hexengruppe.

Ein Neuanfang wurde dann auch im Jahr 1948 mit der Bildung eines Narrenrats gemacht. Seither gibt es den Namen „Narrenzunft Stegstrecker“. Noch bis 1957 wirkte August Heinzle als Zunftmeister und Narrenvater mit. Dann trat er aus gesundheitlichen Gründen mit 83 Jahren ab. Ihm folgten in einer Interimszeit mehrere Zunftmeister. 1959 war es das Pfullendorfer Original, der Bäckermeister Hermann Eisele, der die Regentschaft übernahm. Unter seiner Ägide wurde das Zunfthaus in der Pfarrhofgasse gebaut und am 11. November 1960 eingeweiht. 1961 wurde dann Paul Kerle neuer Zunftmeister und hielt 20 Jahre das Zepter der Pfullendorfer Narren in der Hand.
1962 wurde unter Führung von Dr. Ernst Korte die Schnellergruppe gegründet. Höhepunkt in dieser Zeit waren im Jahr 1964 ein großes Freundschaftstreffen der historischen Narrenzünfte Markdorf, Meersburg, Meßkirch, Radolfzell, Stockach und Überlingen in Pfullendorf. Dieses Stelldichein der mit traditionsreichsten Narrenzünfte im Bodenseegebiet sollte der Beginn von regelmäßig stattfindenden Treffen dieser befreundeten Zünfte werden. Leider blieb es jedoch bei dem einen Treffen in Pfullendorf, da unter anderem die Hänselezunft Überlingen sich alsbald ausschließlich nur noch dem Viererbund
widmete. Ein weiterer Höhepunkt war dann der Einzug von Kaiser Josef II. mit großem Gefolge in Pfullendorf im Jahr 1972.

Im Jahr 1976 gründeten dann mehrere Frauen die Nidlergruppe – auch eine Antwort auf die reinen Männergruppen der Hexen und zu diesem Zeitpunkt auch noch der Schneller. Inzwischen gibt es auch Frauen in den Reihen der Schneller. Pompös gefeiert wurde 1978 die Hochzeit der Narreneltern Otto Ritter und Heinz Kühnlenz. Letzterer blieb – später mit neuen Männern an seiner Seite – noch bis zum Jahr 2012 Narrenmutter.

Im Jahr 1981 wurde mit einem Narrentreffen und befreundeten VSAN-Zünften sowie Nachbarschaftszünften das 125-jährige Vereinsjubiläum gefeiert. Im selben Jahr übernahm Heinz Bosch das Amt des Zunftmeisters, 1985 wurde Elmar Vogler sein Nachfolger. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurde unter ihm 1986 das Streckgericht aus der Taufe gehoben. Von nun an hatte Pfullendorf ein „hochwohllöbliches Narrengericht“. In den ersten Jahren wurden manchmal bis zu vier kommunale oder auch regionale Persönlichkeiten gestreckt. Am 3. Januar 1994 wurde Elmar Vogler viel zu früh durch einen Herzinfarkt aus der Mitte der Narren gerissen. Bis 1995 wurde das Amt des Zunftmeisters durch seinen Stellvertreter, Karl Fehrenbach, wahrgenommen. Dann übernahm Fehrenbach offiziell das Amt des Zunftmeisters. In diese Zeit fällt die Aufführung des Stegstreckerspiels bei der 775-Jahr-Feier der Stadt im Jahr 1995, die Gründung einer neuen Gruppe, der Schaalweiber, im Jahr 1998 und das Landschaftstreffen der Landschaft Bodensee-Linzgau-Schweiz im Jahr 2003, bei dem eine Vielzahl von befreundeten Zünften das Narrenstädtle zwei Tage lang mit einer ausgiebig gefeierter Freinacht bevölkerten. Bis 1998 waren auch die Trachten eine Gruppe der Zunft, dann machten sie sich selbständig und sind nun ein eigener Verein. Unter der Regentschaft von Karl Fehrenbach wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die historische Elemente durch neue Ideen für das närrische Volk wieder interessant machen sollte. Unter anderem wurde der Hemdglonkerumzug mit neuem Leben aufgewertet. Durch Aktionen in Kindergärten und Schulen hat die Fasnet wieder mehr Zulauf in der Bevölkerung bekommen. Das Streckgericht wurde Bestandteil des großen Hemdglonkerumzugs am Schmotzigen Dunschtig und für die weiterführenden Schulen wurde mit dem „Ochseneinspannen“ 2009 ein närrischer Schülerwettstreit aus der Taufe gehoben, sowie das traditionelle Schnurren durch neue Gruppen weiterbelebt.
Ab 2012 war dann Michael Seelmann-Eggebert Zunftmeister. Unter ihm wurde während des Brunnenfestes des Gesangvereins am 16. Juni 2013 der Narrenbrunnen eingeweiht. 2014 fand eine große Narrenhochzeit statt. Nachdem Heinz Kühnlenz den Ruhestand als Narrenmutter antrat, übernahm Thomas Hiestand seine Nachfolge und wurde mit Thomas Obert vermählt. Im Jahr 2015 wurde Andreas Narr zum neuen Zunftmeister gewählt.

Im Jahre 2020 dann ein weiterer Höhepunkt der Zunftgeschichte. 800 Jahre Stadtrecht Pfullendorf, 125 Jahre Narrenblatt, 125 Jahre Narrenbolizei waren Grund genug, ein großes Landschaftstreffen durchzuführen. Eine so große Schar an Narren, wie es die Stadt noch nie gesehen hat, hat den Weg nach Pfullendorf gefunden. Zum zweiten Mal war die Schnellergilde Gastgeber einer Schneller-WM. Neben vielen Brauchtumsveranstaltungen am Samstagabend gab es eine Narrennacht mit vielen Wirtschaften und Besen und natürlich vielen feiernden Narren und Besuchern. Der Höhepunkt war der große Narrenumzug mit etwa 8000 Teilnehmern sowie fast 50 Narrenzünften aus der VSAN,.von Bad Cannstatt über Offenburg bis hin nach Lindau und Willisau in der Schweiz.
Am Fasnetdienstig 2020 hat Walter Rossknecht nach 25 Jahren sein Amt als „Bolizei“ an den Nagel gehängt. Nach ihm folgte Rainer Bosch.

Eine der größten Krisen weltweit hat alle Menschen nach der Fasnet 2020 in Schockstarre versetzt und zur Verzweiflung gebracht. Die Corona-Pandemie hatte die Welt im Griff. Die Systeme und das Leben wurden runtergefahren und vor allem die Vereinstätigkeiten und gesellschaftlichen Ereignisse wurden von vielen Regierungen weltweit komplett untersagt, also auch in ganz Deutschland. Erst 2022 wurde mit einer kleinen Fasnet, genügend Abstand, Mund- und Nasenschutz wieder Leben in das närrische Volk eingehaucht. Es waren keine Umzüge erlaubt, nur kleinere Veranstaltungen im Freien durften durchgeführt werden. So wurde am Schmotzigen Dunschtig das Narrenbaumstellen, am Fasnetsmäntig ein einstündiges Dauerschnellen als Mahnung betreffend des am Schmotzigen Dunschtig ausgebrochenen Krieges in Europa, zwischen Russland und der Ukraine, veranstaltet. Am Fasnetdienstig fand das Preisschnellen und das Hexenverbrennen unter Berücksichtigung der strengen Coronaregeln mit einer limitierten Anzahl von Besuchern statt. Auch im gleichen Jahr wurde nach dreijähriger Pause wieder ein Stadseefest im Sommer durchgeführt.

Somit konnte im Jahr 2023 wieder voll durchgestartet werden. In diesem Jahr war der Hunger nach Fasnet durch eine überaus hohe Besucherzahl bei allen närrischen Veranstaltungen, vor allem beim großen Fasnetmäntigumzug, der nicht enden wollte, sehr gut zu erkennen. Ein besonderes Highlight in diesem Jahr war das 100 jährige Jubiläum des Preisschnellens. Ebenso im Jahre 2023 wurden durch die Anschaffung einer Immobilie, ehemalige Klosterapotheke, der Grundstein für die 2025 fertig gestellte Zunftstube gelegt. Somit ist die Narrenzunft in ihrem 169. Jahr für die zukünftigen Jahre gut gewappnet.